Dinge fallen runter. Wenn sie etwas klein sind, wird es für einen Stargardter schwierig, sie wieder zu finden. Die Ohren helfen da, doch manchmal brauchen sie einen Besen.
Manchmal komme ich mir vor wie ein sekundärer Analphabet: Ich habe in der Schule zwar das Lesen gelernt, aber dank Stargardt kann ich es kaum noch anwenden, wenn ich durch die Strassen gehe.
Die Treppen in Kenia folgen keinen Regeln und es hat den Anschein, als würden sie etwas planlos gebaut. Das hat zur Folge, dass ich das Treppensteigen gleich doppelt lernen musste.
Es ist nett, seine Nachbarn zu kennen und sie zu grüssen, wenn man sich im Treppenhaus begegnet. Wenn das Treppenhaus jedoch zum Garten wird, hat ein Stargardter so sein Probleme.
Viele Küchen in Kenia haben nur ein Licht: zentral an der Decke. Das macht das Hantieren in der Küche für enen Stargardter manchmal schwierig, weil er sich selber im Wege steht.
Es ist höflich und anständig, dass man seinem Gegenüber in die Augen schaut. Nur, als Stargardter ist das nicht so einfach. Die Sitten in anderen Ländern können einem da entgegenkommen.
In Kenya ist Wahljahr. Die offizielle Nominierung ist nah, die Kandidaten bringen sich schon seit einer Weile in Stellung. Gewählt wird unter anderem der Präsident, das Parlament und die Provinz-Gouverneure. Als wir kürzlich durch die Stadt fuhren, hat mich eine Kollegin gefragt, was ich denn von all den Bannern an den Häusern halte. Ich musste nachfragen, was sie denn genau meint.
Manchmal wenn ich mit Leuten unterwegs bin, werde ich daran erinnert, was ich alles nicht mehr sehen kann. Häufig ist das nicht so tragisch, aber hin und wieder geht es kleine Dinge, die mir lieb sind. So wie kürzlich auf dem Naturlehrpfad.
Stargardter müssen konstant kompensieren für den reduzierten Sehsinn. Der nächstbeste Wahrnehmungskanal ist das Gehör. Und man kommt recht weit damit, was mir kürzlich beim Nageleinschlagen wieder mal bewusst wurde.
Stargardt verändert meine Tischmanieren. Glücklicherweise kommen mir die Gebräuche in Kenia da entgegen.
Für Stargardter ist Hören häufig wichtiger als Sehen. Die Geräusche um dich herum verraten dir viel darüber, was um dich herum so läuft. Auch wenn du nur still auf deiner Veranda sitzst. Im Folgenden findest du eine Aufnahme von einem typischen Sonntag in Nyahururu.
Kurz und knapp: Kürzlich traff ich einen Freund, der in der Erwachsenenbildung tätig ist. Es hatte grad das neue Semester begonnen, und aufgrund der aktuellen COVID-Situation war das Maskentragen für die Studierenden vorgeschrieben. Mein Freund meinte nun, dass diese Masken es wirklich schwierig machen, seine Studierenden zu erkennen und mit Namen anzusprechen. Nun, für einen Stargardter ist das ein Dauerzustand: Auch wenn die Leute keine Maske tragen, ist es schwierig, sie zu erkennen.
Kürzlich fiel mir auf, dass ich mehrheitlich mit gesenktem Kopf in Nyahururu unterwegs bin. Dies hat nichts mit meinem Gemütszustand zu tun, vielmehr verlangt die Bodenbeschaffheit meine volle Aufmerksamkeit.
Ich bin nun zwei Jahre hier in Nyahururu und manchmal bekomme ich noch die Frage zu hören, wie ich denn mit dem Kulturschock umgegangen bin. Meine Antowrt ist dann meist: Sorry, aber den habe ich nicht angetroffen. Nun habe ich mich mal schlau gemacht, wie sich ein Kultruschock den äussert und lese Dinge wie "Anpassung an das Unbekannte", "Gefühle der Verunsicherung" oder "Orientierungssysteme". Das klingt doch irgendwie nach Stargardt?
Als Stargardter entwickelst du ein Gefühl für Licht. Lichtunterschiede fallen dir auf und ungenügende Beleuchtung spürst du sofort. Mir stellt sich die Frage, ob es da auch kultruelle Unterschiede gibt.
Für einmal ein technischer Beitrag: Als Stargardter kann ich mit Laptops nicht viel anfangen: Der Bildschirm ist zu weit weg, um bequem arbeiten zu können. Die Vergrösserungssoftware hilft ein wenig aber in der Regel endet es dennoch mit Rückenschmerzen, weil ich mich über das Gerät beugen muss. Bleibt also nur der fix installierte Bildschirm in der richtigen Grtösse und Höhe. Oder?
Als einer der wenigen Europäer in einer kenianischen Kleinstadt fällt man auf. Umgekehrt fällt mir als Stargardter eine andere Hautfarbe häufig erst im Nachhinein auf.
Die Farbe des Tellers hilft dabei, zu sehen, was denn Essbares auf ihm liegt (siehe Beitrag “Was esse ich da eigentlich ?”). In Kenia musste ich meine Präferenz für weiss Teller revidieren. Und da einige Gerichte mit den Fingern gegessen werden, tauchten für einen Stargardter neue Herausforderungen auf.
Die Strassenhändler sind manchmal etwas aufdringlich, besonders wenn sie in Masse auftreten, etwa rund um eine Matatu-Station. Als Stargardter habe ich eine eingebaute “Abschreckung”.
Für Stargardter ist es nicht immer einfach, zu erkennen, was eine Marktfrau oder ein Geschäft genau anbietet. Und der Name des Geschäfts hilft auch nicht immer.
Wenn die eigene Währung manchmal schon nicht ganz klar zu unterschieden ist, wie wird es dann erst mit einer fremden? Die aktuelle Kenianischen Banknotenserie ist schon ziemlich lange im Umlauf und man sieht ihr das auch an.
Die Ansichten, wann eine Tasse voll ist, ist verschieden in verschiedenen Kulturen. Ich habe heraus gefunden, dass ich als Stargardter da in eine unlösbare Situation gerate.
Nich unerwartet ist der Verkehr ein Problem in Kenya. Das hat auch meine kenianischen Kollegen am meisten mit Sorge erfüllt, bevor ich herkam. Verkehrsregeln werden nur grob befolgt und das Prinzip, den schwächeren Verkehrsteilnehmern den Vortritt zu lassen ist nicht sehr verbreitet.
Nach einer guten Weile ohne Beiträge nehme ich das Bloggen wieder auf. Anlass dazu ist mein dreijähriger Aufenthalt in Kania. Vor gut einem Jahr bin ich im Rahmen einer Personellen Entwicklungszusammenarbeit, ermöglicht durch die Schweizer Organisation Comundo, nach Nyahururu gekommen, eine Kleinstadt im Zentrum von Kenia, um bei zwei sozial engagierten Organisationen in der Kommunikation mitzuhelfen.
Manchmal sind die kleinen Dinge plötzlich eine Herausforderung. Zum Beispiel eine Kerze anzünden. Bei den langen dünnen eigentlich kein Problem. Aber die kurzen dicken ....
Es gibt Situationen, da rätsle ich über eine Bemerkung oder ein Verhalten meiner Mitmenschen. Das ist an sich nichts verwunderlich, bei Stargardtern kommt das aber gehäuft und andauernd vor. Die Lösung des Rätsels ist dann immer, dass mir ein visuelles Stichwort fehlte oder ich das auslösende Ereignis schlicht nicht gesehen habe.
... so kann er was erleben. Hier ein Kleiner Bericht rund um eine kleine Reise und was das mit Streichkäre, Liftknöpfen und WC-Anschriften zu tun hat.
Für Stargardter sind Gesichter nur schwer zu erkennen. Es ist meist schon schwierig, herauszufinden, ob die Person gegenüber einen anblickt oder nicht. Das Unterscheiden verschiedener Gesichtsausdrücke ist nur bei besonders gutem Licht möglich, und auch dann nur, wenn die Mimik deutlich sind. Damit fehlt ein wichtiger Faktor beim Umgang mit anderen Menschen.
Stargardt hat auch Auswirkungen auf die räumliche Wahrnehmung. Damit meine ich nicht das einfache Übersehen eines Gegenstandes auf meinen Weg oder auf dem Tisch. Es gibt Momente, wo der gesamte Raum um mich herum seine Dreidimensionalität verliert.
Zwischen dem Suchen und dem Finden steht in der Regel das Sehen. Gelegentlich auch das Hören. Beim Stargardter ist es meist das Wissen. Und häufig das Tasten.
Es ist auf den ersten Blick erstaunlich, was trotz Stargardt im Büroalltag alles möglich ist. Bei genauerem Hinsehen, zeigt sich jedoch, dass es etliche Hürden gibt, die sich nur schwer umgehen lassen, insbesondere beim direkten Zusammenarbeiten mit anderen Leuten. Das fängt beim simplen Lesen von Akten an und hört beim blinden Präsentieren auf.
Auch das Aufspüren von Flecken und Schmutz hat so seine Tücken. Häufig hilft da nur ein systematischer Ansatz - alles oder nichts. Und manchmal die Jahreszeit.
Als Stargardter gehört Stolpern zum Alltag. Bordsteine, Treppenstufen, Wurzeln oder einfach Dinge, die im Flur auf dem Boden liegen, und noch nicht da waren, als ich das letzte Mal da durch ging. Daran und den gelegentlich damit verbundenen blauen Zeh kann man sich gewöhnen. Nur: Man kann nicht nur über Dinge stolpern.
Geldautomaten - hier stellvertretend für alle anderen Automaten wie Fahrscheine, Self-Checkout im Lebensmittelladen oder Check-in am Flughafen - haben sich sehr entwickelt seit ihrer Einführung. Bei allen Verbesserungen sind sie immer mal wieder für Überraschungen gut.
Bei vielen Gelegenheiten im Alltag ist der Augenkontakt wichtig. Er signalisiert Aufmerksamkeit, Respekt und Aufrichtigkeit. Oder er signalisiert dem Autofahrer, dass ich über die Strasse will, oder der Bedienung im Restaurant, dass ich zahlen will. Als Stargarster ist das allerdings nicht ganz so selbstverständlich, wie es sich anhört.
Es schein auf den ersten Blick widersinnig, dass ein Stargardter wie ich viel Zeit un Aufwand in die Fotografie steckt. Ich habe aber gelernt, meine Sehschwäche hier als Stärke einzusetzen. Dadurch dass ich weniger sehe, sehe ich mehr von meine Sujets.
Die modernen Mobieltelefone bieten eine Fülle von nützlichen Tools und Funktionen für Stargarster an, angefangen bei den elektronischen Karten über die Verwendung als Taschenlampe oder Vergrösserungsglar bis hin zur Vorlesefunktion. Trotzdem haben sie auch einige gravierende Nachteile.
Über schnelle Objekte, die auf mich zukommen (/z.B. Autos), und die damit verbundenen Schwierigkeiten habe ich schon mal gesprochen. Ähnliches gilt auch umgekehrt, wenn ich selber schnell unterwegs bin: Ich übersehe Dinge oder reagiere zu spät.
Meine Augenärztin teilt mir regelmässig mit, dass mein Sehvermögen bei 10% liegt. Das wird mit den üblichen Buchstaben und Zahlen in verschiedenen Grössen ermittelt, die an die Wand projiziert werden. Manchmal sieht man noch die Tafeln mit den vielen E's, die in verschiedenen Richtigen zeigen, die grössten ganz oben, nach unten werden sie immer kleiner. 10% entspricht da den obersten zwei, drei Zeilen, die ich noch erkennen kann. Mit Brille, versteht sich, ohne Brille sehe ich auf einer solchen Tafel gar nichts. Aber was heisst denn 10% nun?
Das Anschreiben von Dingen ist eine Kunst. Als Stargadter merke ich das besonders: Wenn etwas nicht am üblichen Ort steht, vor lauter Design nicht mehr z entziffern ist oder die Position des Schildes so geartet ist, dass ich ohne mein Fernglas nicht weiter komme.
Sehen ist wie jede Wahrnehumng selektiv. Gewisse Dunge sehen wir bewusst, andere übersehen wir. Dies ist ein sinnvoller Schutz vor einer sonst nicht zu bewältigneden Informationsflut. Was mich aber immer wieder ersstaunt, ist wie punktuell die Leute sehen.
Ein schön gedeckter Tisch oder ein reichhaltiges Buffet ist eine feine Sache. Für Stargardter halten sie jedoch einige Überraschungen bereit, mit welchen die Köche oder Gastgeber wohl nicht gerechnet haben: Seltsame Menükombinationen oder ein Herumstochern auf einem leeren Teller.
Ein Effekt von Stargardt ist, dass durch dass „Mit-beiden-Augen-daneben-schauen“ manchmal nicht so klar ist, wen oder was ich jetzt grad fixiere. Wenn ich etwas oder jemanden betrachten will, muss ich mit beiden Augen gezielt daneben schauen, um etwas zu erkennen. Würde ich den Gegenstand des Interesses gerade anschauen, ist er komplett weg und ich sehe gar nichts.
Wenn ich unterwegs bin, habe ich meist ein Fernglas dabei, vor allem, wenn ich reise und mich in wenig bekanntem Territorien bewege. Ich brauche das Fernglas dann, um Strassenschilder oder Hausnummern zu lesen. Das wirkt manchmal auf andere etwas verwirrend, da ich an völlig unüblichen Orten stehen bleibe und ein Fernglas zücke. Auf einer Wanderung schaue ich mir natürlich auch die Aussicht mit dem Fernglas an. Es kann aber auch sein, dass ich mit dem Rücken zu ihr dastehe und mein Fernglas auf die Felswand drei Meter vor mir richte, um den Wegweiser zu lesen.
Kürzlich ging ich an meinem Arbeitsort zur Toilette. Als ich eines der Klo-Abteile betrat und bebegann, mich einzurichten , hiel ich verdutzt inne:.Seit wann haven wir denn klodeckel hier?In letzter zeit wurde im Haus viel umgabaut und ich habe mich darauf eingestellt, dass cih einige Dinge wieder neu suchen und ihren Standort lernen muss. Aber die Klos waren immer noch am gleichen Ort undvon den Erneuerungen ausgenommen. Dann schaute ich ein zweites Mal hin, und siehe da, es war wie immer nur die Klobrille da. Mein erster Blick auf die Kloschlüssel war offenabar so ausgerichtet, dass mein blinder Fleck genau auf die èOffnung zu liegen kam. Mein Gehirn hat dann die Lücke aufgefüllt und schnell einen Klodeckel konstruiert.
Wenn ich an einem Tisch sitze und die Person mir gegenüber gerade anschaue, sehe ich ihr Gesicht nicht. Ich schiele also mit beiden Augen an ihr vorbei, um ihren Kopf zu sehen und das Gesicht wenigstens grob zu erkennen. Die Feinheiten eines Gesichts sind zumindest auf diese Distanz für mich nicht erkennbar. In der Folge fällt das Gesicht als Merkmal, um Personen zu erkennen, also weitestgehend aus.
Hier eine Aufgabe aus dem Alltag: Versuch mal, weisse Zahnpasta auf weisse Zahnbürsten-Borsten aufzutragen, das Ganze vor dem Hintergrund eines weissen Waschbeckens. Nicht selten landete bei mir die Portion Zahnpasta auf den weissen Kacheln des Bodens . Das Beseitigen des Malheurs ist dann ein ähnliches Problem.
Hier eine Strategie, die ich brauche, wenn ich mich durch die Stadt bewege, insbesondere inMenschanmassen. Typische Orte dafür sind etwa ein grosser Bahnhof oder eine Einkaufsstrasse am Samstagmorgen. Bei so vielen Menschen, die sich alle durcheinander bewegen und in verschiedene Richtungen gehen, passiert es schnell, dass jemand hinter meinem blinden Fleck verschwindet. Ich bemerke die Person dann erst in letzter Sekunde und kann nur noch mit einem schnellen Seitenschritt einen Kollision vermeiden. Manchmal riecht es nicht mehr ganz und ich remple die Person an.
Natürlich ist der Verkehr ein Problem. Das Velofahren habe ich schon vor einer Weile aufgegeben, nachdem ich ein Auto übersehen und gerammt habe. ein parkendes wohlverstanden. Als Fussgänger habe ich da ein wenig mehr Reaktionszeit, da ich langsamer unterwegs bin. Das Grundproblem ist, dass ich ein Auto, das auf mich zufährt, glatt übersehen kann, wenn es grad durch meinen blinden Fleck abgedeckt wird. Es taucht dann erst etwa zehn Meter von mir entfernt in meinem Blickfeld auf. Glücklicherweise kann ich es aber meist schon wesentlich früher hören. Einzig die Elektromobile sind da ein wenig schwierig, weil ihre Fahrtgeräusche vergleichsweise leise sind. Dafür liegt ihr Sirren in einer anderen Tonalge als die Benzinmotoren, man muss nur lernen darauf zu achten.
Wenn man Hindernisse nicht rechtzeitig sieht, läuft man Gefahr, in sie hinein zu laufen, logisch. Hier ist ein rasches Reaktionsvermögen notwenig. Doch wenn die Hindernisse klein sind und sich auch noch selbst bewegen, wird es schwierig. So ergeht es mir mit kleinen Hunderassen. Da gibt es welche, die sind kaum so gross wie eine Hauskatze. Ich erkenne die nur, wenn ich eine Bewegung wahrnehme. Das kombiniert mit einer Person, die in die Richtung der Bewegung schaut und - wenn es ruhig genug ist - dem Geräusch von Krallen auf Asphalt lässt mich schliessen, dass da ein kleiner Hund in der Nähe sein muss.
Einkaufen hat auch so seine Tücken. So mag ich bediente Theken nicht besonders. Die Waren liegen da zwar meist sehr schön präsentiert da, ich kann aber nur in etwa erkennen, was es genau ist, ganz zu schweigen von den Preisen. Er reicht höchstens für: - Ich hätte gerne ein Stück von dem da, bitte. Und ich zeige darauf. Das ist schade, da es dasselbe Angebot an Wurst- oder Käse nicht immer auch abgepackt im Kühlregal gibt. Ich kann es aber auch umkehren, indem ich einfach auf irgendetwas deute , ohne zu wissen, was es genau ist, und mich überraschen lasse damit, was ich nun bekomme. Nicht selten lerne ich so etwas Neues kennen.