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kenya smallManchmal komme ich mir vor wie ein sekundärer Analphabet: Ich habe in der Schule zwar das Lesen gelernt, aber dank Stargardt kann ich es kaum noch anwenden, wenn ich durch die Strassen gehe.

Als ich meinen ersten Einsatz in Kenia beendet habe, konnte ich noch meine Nachfolgerin etwas einführen. Schon beim ersten Mal, als wir zusammen in Richtung Einkaufsmöglichkeiten unterwegs waren, ist mir wieder mal aufgefallen, wieviel ich nicht sehe. Mein Begleiterin stellte mir Fragen wie „Oh, da ist sogar ein Optiker, ist der gut?“Oder. „Da steht was von einer Bäckerei geschrieben, kennst du die?“. Ich bin vier Jahre durch dieselbe Strasse gegangen, und habe nie gemerkt, dass das ein Optiker ist. Weil das typische Schaufenster fehlt und das Geschäft nur mit der Anschrift auf sich aufmerksam macht. (sieht auch xxx) Und die Bäckerei habe ich zwar ab und zu gerochen, aber ich hatte nie das Bedürfnis, herauszufinden, in welchem Hintergebäude sie nun genau untergebracht ist. Auch weil ich mein Brot jeweils selber backe. 

Ich stellte mir dann vor, dass es für einen Analphabeten etwa so sein muss, durch die Strassen zu gehen. Viele farbige Schilder und Zeichen auf Fassaden, deren Information aber nicht zugänglich ist. Sie werden damit zu blossen Verzierungen des Strassenbildes. Da gab es mal eine Kunstperformance, wo sie in einer belebten Geschäftsstrasse für eine Weile alle Werbung abmontiert und die Beschriftungen abgedeckt haben. Die Strasse wurde sofort ruhiger, weil all die Geschäfte sich nicht um die Aufmerksam der Besucher bemühen mussten. Nun, für einen Stargardter sind die Strassen immer ruhig - visuell. Die akustische Seite ist eine andere Geschichte.   

Dieser Artikel ist Teil der "Stargardt in Afrika"-Serie.