Es ist höflich und anständig, dass man seinem Gegenüber in die Augen schaut. Nur, als Stargardter ist das nicht so einfach. Die Sitten in anderen Ländern können einem da entgegenkommen.
Stargardt befällt in aller Regel das Sehzentrum. Es entsteht eine Art blinder Fleck, der immer da ist. Wenn ich nun jemanden in die Augen schauen will und die Person fixiere, sind die Augen weg, ja meist gleich der ganze Kopf. Ich kann nun meine Gesprächspartnerin so anschauen, dass ich ihren Kopf nicht sehe, dann bin ich ziemlich sicher, dass ich sie direkt anschaue. Und fühle mich dabei als Schwindler, weil ich etwas vorgauckle, das nicht da ist (siehe Blinde Begrüssung). Ich frage mich zudem, ob es nicht mehr ein Anstarren als ein Anschauen ist.
In Kenia liegt der Fall genau andersherum. Es gilt als unhöflich, jemandem direkt in die Augen zu schauen, insbesondere einer älteren Respektperson. Der Augenkontakt ist nur sporadisch, der Blick richtet sich auf den Boden. Da kommt mir mein Stargardt nun zu Gute. Ich bemühe mich zwar, mein Gegenüber immer mal wieder zu fixieren, aber meist spähe ich mehr aus den Augenwinkeln (weil da sie Sicht besser ist als im Sehzentrum). Ich habe also einen Teil Respektbezeugung quasi eingebaut – wenn auch nur ein kleiner. Respekt besteht aus weitaus mehr als Augenkontakt.
Dieser Artikel ist Teil der "Stargardt in Afrika"-Serie.