Sehen ist wie jede Wahrnehumng selektiv. Gewisse Dunge sehen wir bewusst, andere übersehen wir. Dies ist ein sinnvoller Schutz vor einer sonst nicht zu bewältigneden Informationsflut. Was mich aber immer wieder ersstaunt, ist wie punktuell die Leute sehen.

Wenn ich mit jemanden durch die Strassen oder an Schaufenstern vorbei geh, weist mich mein Begleiter auf einen Bildband in euber der Auslagen hin oder auf die Katze am Fenster oder auf die bunte Jacke einer entgegenkommenden Person. Das sind alles Dinge, die mir kaum auffallen, weil sie häufig zu klein für mich sind oder zu spät in mein Gesichtsfeld treten. Ich sehe dafür die Bemalung des Hauses gegenüber. Oder dass die Strasse genau auf die Kirche zu läuft. Oder dass das Kopfsteinpflaster in der perspektivischen Verkürzung ein lustiges Muster bildet. Mir ist nicht ganz klar, ob "Normalsichtige" das alles zwar auch sehen, aber nicht für interessant halten, oder ob die punktuellen Details so sehr ablenken, dass diese "grösseren Details" nicht mehr wahrgenommen werden. Manchmal weise ich meine Begleiter darauf hin und löse meist Erstaunen aus. Ich stell mir dann vor, dass ich durch meinen Stargadt offenbar mehr den Hintergrund d sehe, auf dem sich die Dinge abspielen. Ich sehe, dass die Bahnhofsüberführung komplett mit Werbeflächen zugepflastert ist, weiss aber meistens nicht für was da geworben wird. Ich sehe, welche Krümmung der Stand bildet und wie er sich in die Hügel dahinter einfügt, kann aber nichts zu den Leuten und der aktuellen Bademode sagen, die sich am Strand tummeln. Ich sehe die Komposition eines Gemäldes, erkenne aber nicht, ob das Haar der Madonna nun besonders natürlcih gemalt wurde oder nicht.

Diese Art des Sehens wirkt sich auch auf meine Interessen aus. Mich faszinieren die grossen Maßstäbe, die langen Zeiträume und die grossen Zusammenhänge. Ich befasse mich mit Klimawandel, tektonischer Plattenverschiebungen oder Sternentstehungen. Die grossen geschichtlichen Zusammenhänge finde ich viel spannender als das Tagesgeschehen in der Politik. Oder aus meinem Berufsalltag: ich bin an Kommunikationswegen und -kanälen interessiert und weniger an der Information selbst. Dies gibt mir eine etwas andere Perspektive und manchmal Erkenntnisse, die andere nicht so schnell haben. Auf der anderen Seite gehen mir dadurch wichtige Details durch die Lappen, die für die Beurteilung einer Situation nötig wären. Oder mit dem Sprichwort: Mein Problem ist nicht, dass ich manchmal den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr sehe. Viel häufiger sehe ich die Bäume vor lauter Wald nicht mehr.