kenya smallStargardter müssen konstant kompensieren für den reduzierten Sehsinn. Der nächstbeste Wahrnehmungskanal ist das Gehör. Und man kommt recht weit damit, was mir kürzlich beim Nageleinschlagen wieder mal bewusst wurde.

So ein Nagel ist ein recht kleines Ding. Ihn mit einem Hammer zu treffen ist nicht einfach. Ich könnte ihn natürlich mit meiner anderen Hand halten und auf den Körpersinn (d.h. die rechte Hand weiss wo die linke ist) vertrauen. Da ist mir aber das Risiko von blauen Fingern zu gross. Eine Nagelpistole wäre eine Lösung, ist aber eine recht grosse Investition für einen einzelnen Nagel. 

Während ich also so nagle, fällt mir auf, dass das Geräusch mir viel verrät über den Verlauf meiner Aktion. Wenn ich den Nagel korrekt treffe, ersteht gleich nach dem Schlaggeräusch ein beinahe harmonisches Nachschwingung. Je tiefer der Nagel ins Holz eindringt, desto höher wird der Ton. Wenn der Hammer nicht richtig trifft, wird der Nachschwington dissonant. Und wenn der Schlag derart daneben geht, dass der Nagel krümmt (vor Lachen), fällt das Geräusch in dieselbe Kategorie, wie wennein  fauler Apfel vom Baum fällt. 

Es gibt unzählige Beispiele, wo ich mich mehr oder ausschliesslich an den Geräuschen orientiere. Etwa beim Überqueren der Strasse hier in Nyahururu. Ich seh zwar die anrollenden Autos mehr oder weniger, die Motorradtaxis sind aber zu klein und zu schnell. Dafür machen sie aber einen Heidenlärm, ich kann sie also gut hören. Wenn ich alleine unterwegs bin, überquere ich die Strasse erst, wenn ich keinen Verkehr mehr höre. Was dazu führt, dass ich manchmal 10min oder länger da stehe und lausche.

Oder mein Wasserkocher: Als Fan von Grüntee habe ich mir mit dem Wasserkocher ein Backofenthermometer gekauft, mit welchem ich messen kann, wann das Wasser 80 Grad Celsius erreicht hat, die empfohlene Temperatur für Grüntee. Mit der Zeit habe ich gelernt, auf meinen Wasserkocher zu hören. Das Aufheizen des Wassers produziert ein Sirren, dessen Tonhöhe kontinuierlich mit der steigenden Temperatur zunimmt. Mittlerweile weiss ich, wie 80 Grad tönen und brauch den Thermometer nicht mehr.

Hier ist eine kleine Übung: Nimm ein grosses Wasserglas und versuch, es mit geschlossenen Augen zu füllen, ohne dass es überläuft. Ich bin sicher, nach einigen Versuchen hast du es raus. Dann versuch mal, es nur bis zur Hälfte zu füllen. Das sollte nun ganz einfach sein, da du jetzt die akustischen Eigenschaften deines Glases kennst.

Dieser Artikel ist Teil der "Stargardt in Afrika"-Serie.