kenya smallDie Ansichten, wann eine Tasse voll ist, ist verschieden in verschiedenen Kulturen. Ich habe heraus gefunden, dass ich als Stargardter da in eine unlösbare Situation gerate.

Als Kind wurde mir beigebracht, dass man die Tasse Kaffe oder Tee für den Gast nicht bis zum Rand füllt. Es könnte ja sein, dass der Gast noch Milch oder Zucker dazu geben möchte und noch kräftig umrühren will. Ausserdem erhöht eine zu volle Tasse das Risiko, das beim Hocheben etwas verschüttet wird. Und man möchte dem Gast diese kleine Peinlichkeit ersparen. Der Flüssigkeitsspiegel ist daher einen Fingerbreit unter dem Rand. der Tasse.

Nun, in Kenia ist es genau umgekehrt: Es gilt als unhöflich um nicht zu sagen grob beleidigend, dem Gast eine Tasse anzubieten, die nicht bis um Rand gefüllt ist. Ein solches Gebaren kann als Geiz oder Geringschätzung von Seiten des Gastgebers ausgelegt werden. Glücklicherweise wurde mir das rasch erklärt und ich kann mich da gut anpassen. Nur: Das Füllen einer Tasse ist für Stargardter an sich schon eine Herausforderung. Wenn der Kontrast ausrechend gross ist, geht es noch, zum Beispiel Kaffee in eine weisse Tasse. Wenn der weisse Rand über dem Kaffee aber zu schmal wird, kann ich den Abstand nicht mehr richtig erkennen und abschätzen. Folglich stoppe ich das Eingiessen und die Tasse läuft sicher nicht über Und der Gast hat noch Reserve für Zucker oder Milch. Das Lieblingsgetränk der Kenianer ist der Chai, eine halb-halb Mischung aus Milch und Schwarztee. Der Kontrast zwischen Flüssigkeit und Tasse ist ziemlich klein, je nach Mischungsverhältnis hellbraun zu weiss oder schmutzig-weiss zu weiss. Ich stehe also vor der Wahl mit einiger Sicherheit entweder als unhöflicher oder als tollpatschiger Gastgeber da zu stehen.

Dieser Artikel ist Teil der "Stargardt in Afrika"-Serie.